Die unerkannte Gefahr – Umwelthormone – Endokrine Disruptoren

Umwelthormone verstecken sich in zahlreichen Artikeln 

In vielen Produkten des täglichen Gebrauchs sind hormonähnlich wirkende Substanzen enthalten wie z.B. in Spielzeug, Kleidung, Lebensmitteln, Kosmetika, Sportartikeln, Putzmitteln, Möbeln und als Weichmacher in Verpackungsmaterialien und Kunststoffen.[1]

Wenn diese Umwelthormone, auch Endokrine Disruptoren genannt, in unseren Körper gelangen, können sie bereits in geringsten Mengen durch Einwirkung auf unser Hormonsystem unbemerkt und langfristig unsere Gesundheit schädigen.[2] Mehr als 1.000 Substanzen stufen Fachleute derzeit als Endokrine Disruptoren ein.[3]

Was sind Umwelthormone/Endokrine Disruptoren?

Laut WHO-Definition ist ein Endokriner Disruptor ein körperfremder Stoff (oder ein Gemisch), der die Funktionen des hormonellen Systems verändert und infolgedessen gesundheitsschädliche Wirkungen bei einem intakten Organismus, seinen Nachkommen oder (Teil-)Populationen verursacht.[4] Viele dieser Stoffe sind fettlöslich und lagern sich nachweislich im Fettgewebe und in der Muttermilch ein.

Hintergrundinformationen: Unser Körper produziert eigene Hormone, die als Botenstoffe benötigt werden. Sie sorgen dafür, dass die biologischen Prozesse richtig ablaufen, z.B. der weibliche Zyklus, die Spermienproduktion, die Regulation des Blutzuckerspiegels, die Stoffwechselregulation durch Schilddrüsenhormone u.v.m.. Die körpereigenen Hormonsysteme reagieren sehr sensibel auf interne Hormonschwankungen oder auch auf von außen zugeführten hormonell wirksamen Substanzen.

Wirkungsweise und Folgen

Unser Körper kann hormonaktive Stoffe aus der Luft, dem Wasser, durch Nahrung und durch Hautkontakt unbemerkt aufnehmen.[5] Gelangen diese Stoffe in den Körper, können sie falsche Signale setzen und so hormonell gesteuerte Entwicklungsphasen schon im Mutterleib stören.[6]

Hormonaktive Stoffe können in den Zellmechanismus einwirken, indem sie die Aktivität von verschiedenen Erbinformationen beeinflussen (Transkriptionsveränderung von Genen).[7]

Da eine östrogenähnliche Wirkung der Endokrinen Disruptoren überwiegt, werden gesundheitliche Schäden wie Fortpflanzungsstörungen, Unfruchtbarkeit und Fehlbildungen der Geschlechtsorgane bei Kontakt mit diesen Stoffen in Verbindung gebracht. Es können auch hormonsensible Krebsarten wie Brust-, Prostata- und Hodenkrebs in ihrem Wachstumungünstig beeinflusst werden.[8]

Neben den Wirkungen auf Sexualorgane können Endokrine Disruptoren auch auf andere Hormonregelkreisläufe wie z.B. den der Schilddrüse und den des Zucker- und Fettstoffwechsels einwirken. Dies kann – bei vorliegender erblicher Veranlagung – zu chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Problemen führen, wie auch zu Verhaltens- und Entwicklungsauffälligkeiten bei Kindern.[9] [10]

Quelle: Wikipedia / Plastikatlas 2019 / Heinrich Böll Stiftung

Worin sind Endokrine Disruptoren enthalten? – Stoffgruppen

Gegenstände aus Kunststoff wie Kinderspielzeug, Trink- und Kosmetikflaschen, Kunststoffboxen, Auskleidung von Getränkekartons und Dosen, Elektroartikel, Baustoffe, Textilien sowie in der Industrie verwendete Löse- und Schmiermittel können besonders belastet sein. Auch in Waschpulver, Spülmitteln, in Kosmetikprodukten sowie in Medikamenten können diese Stoffe nachgewiesen werden.

Außerdem sind hormonaktive Substanzen in zahlreichen von der EU zugelassenen Pestiziden vorhanden. Sie gelangen über die Atmosphäre oder den Boden in die Pflanzen und somit in unsere Lebensmittel und in Grund- und Abwasser. [11]

Die bekanntesten und häufig industriell verwendeten hormonaktiven Stoffe sind Bisphenol A, Dioxine, Phthalate, Parabene sowie per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS).

Warum sind Endokrine Disruptoren so problematisch?[12]

…weil es nur für wenige Stoffe feste Grenzwerte gibt, ab denen die Stoffe als schädigend einzustufen sind

 … weil auch bei kleinster Exposition bereits eine Schädigung erfolgen kann

… weil sie in entwicklungssensiblen Lebensphasen wie Schwangerschaft und Pubertät besonders schädigend wirken können und bereits die Exposition des Kindes im Mutterleib dazu führen kann, dass das Kind später bestimmte Erkrankungen entwickeln kann

… weil das Zusammenspiel verschiedener Endokriner Disruptoren die Wirkung potenzieren und Gesundheitsschädigungen hervorrufen kann, auch wenn die einzelnen Stoffe unterhalb der Wirkungsschwelle liegen

… weil der Ursache -Wirkungsnachweis durch die zeitverzögerte Wirkung der Stoffe sehr schwierig ist

Nachweismethoden

Bisher gibt es noch wenig Nachweismethoden und die Forschung entwickelt sich auf diesem Gebiet nur langsam. Einige Stoffe wurden bereits verboten (z.B. PCB). Durch minimale Änderung der chemischen Struktur eines Stoffes wird der Nachweis erschwert und ist ggf. nicht mehr möglich. Somit können Verbote dieser Stoffe leicht umgangen werden.[13]

Forderungen an die Politik:

  • Einführung einer Deklarationspflicht aller Inhaltsstoffe und Verbot aller krebserregenden und endokrinologisch wirkenden Substanzen in Produkten des täglichen Bedarfs
  • Aufklärung über die gesundheitlichen Gefahren von Endokrinen Disruptoren und die Förderung unschädlicher Alternativen
  • Gesetzliche Regelung, dass Hersteller vor Einführung neuer Produkte eine Unbedenklichkeit der verwendeten Stoffe nachweisen müssen, so wie es im Rahmen des Vorsorgeprinzips in der EU allgemein gilt [14]
  • Bereitstellung von ausreichend finanziellen Mitteln für unabhängige Studien[15]

Was kann ich tun?[16]

Beim Kauf auf Inhaltsstoffe achten!

Die Inhaltsstoffe von Produkten können Sie über folgende kostenlose und unabhängige Apps überprüfen: CodeCheck, Scan4Chem[17]  oder ToxFox[18].

Lebensmittel: 

  • möglichst plastikarm einkaufen
  • am besten aus biologischem Anbau
  • in Glas oder Edelstahlbehältern aufbewahren und erhitzen

Haushalt:

  • mit natürlichen oder Bioprodukten reinigen
  • synthetische Raumlufterfrischer und – düfte meiden

Kinder:

  • bei Kinderspielzeug und Kinderkleidung Naturmaterialien bevorzugen

Körperpflege:

  • Pflegeprodukte und Kosmetika mit möglichst natürlichen Inhaltsstoffen nutzen
  • Sonnenschutzcremes auf mineralischer Basis verwenden[19]

Kleidung:

  • Stoffe aus natürlichen Fasern wählen
  • vor dem ersten Tragen waschen
  • auf chemische Reinigung möglichst verzichten

Pflanzenpflege in Haus und Garten:

  • natürliche Dünger verwenden
  • auf chemische Schädlingsbekämpfungs- und Pflanzenschutzmittel verzichten

Beim Kauf von z.B. Spielzeug, Möbeln, Teppichen, Sportartikeln, Kosmetika, Textilien und elektronischen Geräten können die oben genannten kostenfreien Apps weiterhelfen.

„Wir können den Kontakt mit Endokrinen Disruptoren nicht gänzlich vermeiden, aber wir können versuchen, ihn durch bewusstes Handeln zu reduzieren“


[1] Vgl. Popovici, Roxana M.; Sonntag, Barbara: „Umweltgifte und ihre hormonelle Wirkung“, in: Der Gynäkologe, 4.2021, Seite 250

[2] Vgl. online unter: https://www.umweltbundesamt.de/endokrine-disruptoren#1-bis-2, gesehen 03.03.2023

[3] Vgl. online unter https://www.endokrinologie.net/pressemitteilung/prof-josef-koehrle-european-hormone-medal-2022.php, gesehen 03.03 2023 und

      vgl. Hall, Julianne M, Korach, Kenneth S, Hall, Janet E: Endocrine-disrupting chemicals, 9/21, in: Uptodate.Wolters Kluwer Seite 2/35, gesehen am 29.03.2023   

[4] Vgl. WHO-Definition 2002, online unter https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/chem/themen-a-z/factsheet-endokrine-disruptoren.pdf.download.pdf/2017-id-factsheet_endokrine-disruptoren.pdf, gesehen 16.02.2023 und online unter: https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_endokrinen_disruptoren-50513.html, gesehen am 16.2.2023)

[5] Vgl. Popovici, Roxana M.; Sonntag, Barbara: „Umweltgifte und ihre hormonelle Wirkung“, in: Der Gynäkologe, 4.2021, Seite 249 und Popovici, Roxana M.; Sonntag, Barbara: „Die Knifflige Welt der Umwelthormone“, in: Endokrinologie vom 15.04.2021

[6] Vgl. https://nestbau.info/wp-content/uploads/2022/03/220303_wcef_broschu%CC%88re_neu.pdf, gesehen am 16.02.2023

[7] Vgl. ebd. in: Der Gynäkologe, 4.2021, Seite 247 und online unter: https://www.umweltbundesamt.de/endokrine-disruptoren#1-bis-2, gesehen 16.2.2023

[8] Vgl. Palmer et al, 2006, online unter:  https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0008/245744/Identification-of-risks-from-exposure-to-ENDOCRINE-DISRUPTING-CHEMICALS-at-the-country-level.pdf, gesehen am 16.2.2023 und Popovici, Roxana M.; Sonntag, Barbara in: Der Gynäkologe, 4.2021, Seite 249 und vgl. Hall, Julianne M, Korach, Kenneth S, Hall, Janet E: Endocrine-disrupting chemicals, online unter https://www.wolterskluwer.com/en/solutions/uptodate, Feb. 2023

[9] Vgl. Popovici, Roxana M.; Sonntag, Barbara: „Umweltgifte und ihre hormonelle Wirkung“, in: Der Gynäkologe, 4.2021, S. 246

[10] Veränderte Grafik nach Online: https://de.wikipedia.org/wiki/Endokrine_Disruptoren, gesehen am 17.11. 2022

[11]  Vgl. online unter: https://www.bmuv.de/themen/gesundheit-chemikalien/chemikalien/umwelthormone, gesehen am 03.03.2023

[12] Vgl. online unter: https://www.umweltbundesamt.de/endokrine-disruptoren#1-bis-2, gesehen 16.2.2023 und

      vgl. Hall, Julianne M, Korach, Kenneth S, Hall, Janet E: Endocrine-disrupting chemicals, 9/21, in: Uptodate.Wolters Kluwer Seite 5/35, gesehen am 29.03.2023   

[13] Vgl. ebd. und online unter: https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/eu-kommission-opfert-die-revision-der-eu-chemikalienverordnung-reach-fuer-industrieinteressen-und-nimmt-damit-umwelt-und-gesundheitsschaeden-in-kauf/ gesehen 16.2.2023

[14] Vgl. online unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/103989/Endokrine-Disruptoren-trotz-Verboten-noch-immer-in-der-Nahrungskette, gesehen 16.2.2023

[15] Vgl. online unter: https://chemtrust.org/de/wp-content/uploads/sites/2/2021/11/CHEM-Trust-Mehr-Schutz-vor-Chemikalien-November-2021_final.pdf, gesehen 16.2.2023

[16] Vgl. ebd.

[17] Vgl. online unter: https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/chemikalien-reach/reach-fuer-verbraucherinnen-verbraucher, gesehen 16.2.2023)

[18] Vgl. BUND; Rundbrief Newsletter, Januar 2022

[19] Vgl. Hall, Julianne M, Korach, Kenneth S, Hall, Janet E: Endocrine-disrupting chemicals, 9/21, in: Uptodate. Wolters Kluwer Seite 5/35 und 18/35, gesehen am 29.03.2023   

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